Renten im geeinten Europa

Ich hatte versprochen, euch weiterhin über meinen Papierkrieg mit gleich zwei Rentenversicherungen (in Luxemburg und in Deutschland) auf dem Laufenden zu halten (s. Beitrag vom Februar).

Wie ich bereits damals im Folgebeitrag erzählte, wurde das erste Formular zurückgewiesen, weil es unleserlich und nicht vollständig ausgefüllt war.

Heute war es jetzt endlich soweit, dass ich erneut einen Rentenarzt besuchen durfte. Der erste Versuch war noch im Februar durch eine Verkettung von etwas unglücklichen Umständen gescheitert: der Arzt hat von 9:30 bis kurz vor 10:30 auf mich gewartet, weil er sich den Termin 9:30 vorgemerkt hatte, ich bin pünktlich um 10:30 in der Praxis angekommen, weil er mit mir schriftlich den Termin 10:30 ausgemacht hatte. Das war ihm ziemlich peinlich und auch für ihn selbst unangenehm, weil die Rentenversicherung sinnigerweise einen Arzt von Brannenburg (das ist südlich von Rosenheim) nach München in eine Gastpraxis in der Blumenau schickt, um meinen Gesundsheitszustand von 2012 zu begutachten. Das machte für ihn eine Autofahrt von rund 2×80 km und für mich eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von ca 2×1 Stunde. Wir hatten also beide unsere Zeit vertrödelt. Immerhin haben wir danach dann mehrfach ganz nett miteinander am Telefon geplaudert, bis wir einen neuen Termin ausmachen konnten.

Heute also endlich der zweite Anlauf beim gleichen Arzt.

Zu Beginn zeigte er mir das Formularpaket, das wir gemeinsam ausfüllen sollten: ca 20 Seiten eng gedruckt, mit sehr kleinen Eingabefeldern und bitteschön vollständig und in Blockschrift auszufüllen! Ein europäisches Standardformular, das ich leider nicht im Internet gefunden habe, sonst hätte ich es hier verlinkt.

Für den Spass, das einigermaßen auszufüllen, braucht er sicher 2 Stunden und erhält dafür ganze 65 €. Für einen Arzt, der, wie er mir erzählte, früher eine Rheumaklinik geleitet hat, ist diese fürstliche Entlohnung sicher ein Ansporn, besonders sorgfältig zu arbeiten.

Das Fazit: Obwohl er mir versichert hat, das Gutachten würde zu meinen Gunsten ausfallen, habe ich wenig Hoffnung, dass es für die Luxemburger RV zufriedenstellender als das Erste ist.

Für mich liegt das Problem in der Zusammenarbeit der Rentenversicherungen verschiedener Länder. Hier gäbe es doch mal ein sinnvolles Normalisierungspotenzial für die Europäischen Behörden oder ein Thema für den EU-Bürokratie-Abbauer Stoiber (ich weiß, selbst der ist inzwischen im Ruhestand, aber dann hätte er doch endlich Zeit dafür, oder?).

Die deutsche RV ist ja nicht gerade bekannt dafür, dass sie Erwerbsminderungsrenten herschenkt. Auch da musste ich bereits ausführlich Formulare ausfüllen, wie ich hier schon berichtet habe. Warum muss ich jetzt durch ein nachträgliches Gutachten der Luxemburger Rentenversicherung noch einmal beweisen, dass die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, während man eine Chemo nach der anderen erhält und dazu noch zweimal Hochdosis-Chemo mit Stammzellentransplantation, alles dokumentiert durch Arztberichte und Diagnoseunterlagen vom Klinikum Rechts der Isar?

Beim derzeitigen Verfahren fühlt sich in der ganzen Kette niemand für ein Scheitern verantwortlich:

  • Der Luxemburger Sachbearbeiter oder Kontrollarzt findet sicher in einem 20-seitigen Formular leicht ein Feld, das gar nicht oder nur unleserlich ausgefüllt ist *) und kann dann guten Gewissens ein neues Gutachten anfordern. Reklamieren hilft nicht, Vorschrift ist Vorschrift.
  • Die deutsche Rentenversicherung redet sich damit heraus, dass sie nur die Anforderungen ihrer Luxemburger Kollegen ausführt, wenn sie einen weiteren Arzt beauftragt (wofür sie allerdings ein paar Monate braucht!).
  • Der Arzt tut sein Bestes, seine Zeit ist aber beschränkt, die Bezahlung sowieso und sein Kalligraphiekurs liegt wohl schon ein paar Jahre zurück.
  • Der Antragsteller, der eigentlich ein Anspruchsinhaber ist, ist der Dumme. Er kann wählen, ob er sich nach weiteren 6 Monaten zum nächsten Rentenarzt schicken lässt oder ob es ihm zu blöd wird.

Das Ganze scheint darauf ausgelegt zu sein, dass der angehende Rentner irgendwann mürbe gemacht wird und aufgibt. Selbst das muss er aber dann schriftlich erklären, wie mir am Telefon gesagt wurde. Wehren kann man sich nicht, ohne das ominöse Formular gibt es keine Auszahlung.

So, jetzt habe ich wieder ein paar Monate Zeit, mich abzureagieren und mir zu überlegen, was ich im Fall einer dritten Einbestellung unternehmen werde: einfach gnadenlos das Spiel durchziehen, Briefe an höhere Stellen, Leserbriefe, oder doch verzichten und die Zeit bis zum Antrag auf Altersrente genießen? Wieviele ärztliche Gutachten wird man da wohl brauchen, um nachzuweisen, dass man das Renteneintrittsalter im Ausland erreicht hat? Gibt es eigentlich einen Ombudsmann für Rentenfragen – in Luxemburg oder Deutschland?

Eure Vor- und Ratschläge werden gerne entgegengenommen und wohlwollend geprüft.

*) Z.B. tut die Brillenstärke in meinem Fall sicher nichts zur Sache, auf die Frage war ich natürlich nicht vorbereitet – da haben wir schon den Beweis für meine mangelnde Kooperationsbereitschaft.