Risikogruppe – ja oder nein?

riskEs heißt ja immer, dass ein höheres Risiko eines schweren Verlaufs einer Corona-Infektion hat, wer Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkreislauf- oder Lungenerkrankungen, … und Krebs hat. Dabei war mir jedoch immer unklar, ob mit Vorerkrankung gemeint ist, dass man in der Vergangenheit irgendwann mal eine dieser Krankheiten durchlebt hat, oder dass man aktuell zum Zeitpunkt der Infektion daran erkrankt ist. In anderen Worten: Gilt eine vor mehr als 6 Jahren überstandene Krebserkrankung aktuell noch als Kriterium zur Zugehörigkeit zur Risikogruppe?

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat auf seiner Webseite spezielle Informationen zu Krebs[vor]erkrankung und Corona-Risiko veröffentlicht. Hier schildert eine Anfrage ziemlich genau meine Lage (außer dass Leukämie durch Hodgkin ersetzt werden muss – die Therapie bei mir war jedoch die gleiche):

„Ich hatte vor 5 Jahren eine Leukämie mit Chemotherapie, Bestrahlung und Stammzelltransplantation. Muss ich jetzt speziell auf das Coronavirus achten?“ In diesem Fall liegt die Behandlung schon eine Weile zurück. Entscheidend für die Zuordnung von Krebspatientinnen und -patienten zur Risikogruppe ist, ob ihr Immunsystem aktuell geschwächt ist. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn bei Ihnen die Zahl der weißen Blutkörperchen erniedrigt ist. wenn bei Ihnen die Immunglobulinwerte erniedrigt sind. wenn Sie dauerhaft Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems erhalten.

Quelle: www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/coronavirus-krebs-haeufige-fragen.php
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Da meine Blutwerte seit mehreren Jahren wieder normal sind und ich keinerlei Medikamente einnehme, und auch sonst keine Lungen-, Herz- oder Gewichtsprobleme habe, gilt bei mir demnach nur die Zugehörigkeit zur Risikogruppe wegen der „Vorerkrankung Alter“. Und da ich eher noch zu den Jungsenioren gehöre, bin ich doch einigermaßen beruhigt. (Andererseits kann es natürlich auch junge gesunde Menschen schwer treffen, so dass man sich nie ganz sicher fühler kann.)

Guido Westerwelle

Wer mich gut genug kennt, weiß, dass ich weder FDP-Anhänger noch Westerwelle-Fan bin. Sein Schicksal hat mich aber trotzdem sehr berührt. Er hatte zwar eine andere Krankheit (Leukämie) als ich, aber die Therapie war letztlich die gleiche. Bei den letzten öffentlichen Auftritten, die ich gesehen habe, sah er zwar verständlicherweise mitgenommen aus, war aber guter Dinge, dass es weiter aufwärts gehen würde.

Dass er dann jedoch so kurz nach der Stammzellentransplantation gestorben ist, hat mir wieder einmal bewusst gemacht, dass es nicht immer ein Happy End bei dieser Behandlung gibt. Ich habe zwar auch einige heftige Infektionen in der ersten Zeit überstehen müssen, aber letztlich habe ich doch großes Glück gehabt, dass das Immunsystem wieder die Oberhand gewonnen hat und auch keine Abstoßungsreaktionen verursacht hat. Dafür nochmal herzlichen Dank an meine Blutsschwester, deren Stammzellen so gute Dienste für mich leisten, und an das gesamte medizinische Team im Klinikum rechts der Isar und in Oberstaufen!

Kosten einer Stammzellentransplantation

Zufällig ist mir in der Süddeutschen Zeitung von heute eine Anzeige aufgefallen, in der um Spenden für einen nicht krankenversicherten Kosovaren gebeten wird, der wegen einer Leukämieerkrankung dringend eine allogene Stammzellentransplantation braucht.

Laut Anzeige müssen dafür 247.499,82 € als Vorauszahlung an die Klinik gezahlt werden. Wow – soviel hat also allein der zweite Teil meiner Therapie gekostet? Da muss ich mich aber sehr anstrengen, um die Investition nachträglich zu rechtfertigen!

Ich nehm mal an, die Familie hat nichts dagegen, wenn ich den Aufruf hier wiederhole:

SZT

Stammzellentransplantation bei Planet Wissen

Unter dem Titel „Blutsbrüder – Knochenmarkspende mit Happy End“ ist die Stammzellentransplantation heute (und morgen, je nach Sender) Thema bei Planet Wissen.

Es geht zwar dort um einen Leukämiepatienten, aber das Verfahren ist das gleiche wie bei mir:

  • Suche nach einem passenden Spender unter Geschwistern und in der Datenbank mit denjenigen, die sich irgendwann haben typisieren lassen
  • Zerstörung des Immunsystems mit Hochdosis-Chemo
  • Sammlung der Stammzellen des Spenders
  • Übertragung der Stammzellen
  • langes Warten in der Isolation, bis die Produktion der Leukozyten anspringt

Ich warte immer noch darauf, meine Blutsschwester kennenlernen zu dürfen. Erst im Juli ist die Sperrfrist abgelaufen, nach der die DKMS die Adressen frühestens herausgibt.

Sendetermine:

D0: Die neuen Stammzellen sind drin und auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz!

Meine Spenderin hat ganze Arbeit geleistet und mir einen besonders gut gefüllten Beutel mit rheinländischen Stammzellen rübergeschickt.

Da diese nicht eingefroren werden mussten, sondern frisch verabreicht werden konnten, verlief die Transplantation ähnlich unspektakulär wie eine Bluttransfusion. Lediglich die Überwachung war etwas verschärft. Hier ist das Objekt der Begierde:
image

Nun heißt es abwarten, bis die neuen Zellen ihren Weg ins Knochenmark gefunden haben und dort mit der Blutbildung beginnen. Das kann 10-20 Tage dauern, während denen der Körper einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt ist. Ich werde mein Bestes geben, diesen Gefahren aus dem Weg zu gehen …

Bis dahin rauschen die Blutwerte noch weiter nach unten. Die gestern zugeführten Blutplättchen sind schon wieder verbraucht und werden heute noch einmal nachgefüllt.

kurz vor D0: Der große Tag …

Yesterday is history, tomorrow is a mystery, but today is a gift. That’s why we call it the present.
A.A. Milne, Winnie-the-Pooh

In wenigen Stunden ist es soweit, der Tag D0 rückt näher. Mein Immunsystem ist weitgehend zurückgefahren, die T-Zellen sind ausgeschaltet, die Leukozyten im Sinkflug. Ich bin also bereit für die Entgegennahme der neuen Stammzellen, für deren Bereitstellung ich der unbekannten Spenderin hier noch einmal herzlichst danke. Ich hoffe, dass sie mir ein Leben ohne Morbus Hodgkin ermöglicht, und freue mich schon sehr darauf, sie in 2 Jahren vielleicht kennenlernen zu dürfen.

Risiken und Nebenwirkungen, Regeln

Ich habe jetzt (endlich) mal die Informationsblätter durchgelesen, die man mir vor Wochen bei der Stationsbesichtigung und beim Vorgespräch mitgegeben hat. Die Regeln unmittelbar vor, während und nach der Stammzellentransplantation sind schon sehr streng, da vor allem die Infektionsgefahr in den ersten Tagen nach der Transplantation extrem hoch ist, und auch noch Monate danach erhöht ist. Dazu kommt noch die Gefahr einer Graft-versus-host-disease (GVHD), wo die fremden Immunzellen eigenes Körpergewebe schädigen und natürlich die üblichen möglichen Nebenwirkungen der Chemotherapie.

Es gibt jede Menge Hygieneregeln wie z.B. Desinfizierung von allem Mitgebrachtem, Körperpflege, Händedesinfektion bei vielen Gelegenheiten, nichts vom Boden aufheben, intensive Mund- und Hautpflege, häufige Kleidungswechsel. Mitbringen soll man möglichst nur, was abgewischt werden kann, Bücher und Zeitschriften sollten neu sein.

Dazu gibt es viele Ernährungsregeln. Von Anfang an wird es nur keimreduzierte Kost geben, allerdings kann man wohl selbst täglich durch einen Anruf in der Diätküche seinen Speiseplan mitbestimmen. Prinzipiell muss alles entweder gut durchgegart sein oder dicht verpackt sein. Eine ganze Reihe von Lebensmitteln sind auch ganz verboten wie z.B. Rohmilchprodukte, die meisten Wurstsorten, vieles mit Eiern, Nüsse, Salat, und, und, und … Einige dieser Regeln gelten auch noch für Monate danach.

Für die Zeit danach gelten außer den Essensregeln noch Einschränkungen bzgl. Kontakt mit anderen, Putzen, Pflanzen, Tieren, Körperpflege, Schwimmen, Sonne, Impfungen.

Ich habe diese ganzen Informationen leider nur auf Papier. Wer sich ein ungefähres Bild machen will, kann z.B. das Informationsblatt der Freiburger Uniklinik anschauen, im wesentlichen dürfte das mit meinem übereinstimmen, es fehlen nur die Essensregeln.