Die Zeit danach

Jetzt, wo allerlei Jahrestage auf mich zukommen, denke ich natürlich öfter an die letzten Jahre zurück.

Während der Therapie denkt man eigentlich gar nicht so sehr darüber nach, was mit einem geschieht. Man lebt von einem Arzt- oder Krankenhaustermin zum nächsten und ist für jeden überstandenen einzelnen Schritt dankbar. Es überwiegt der Gedanke: „Ich muss da durch, bald ist alles überstanden“, auch wenn dann manchmal ein Paukenschlag kommt, z.B. wenn man als geheilt entlassen worden ist und dann kurz darauf aus heiterem Himmel erfährt, dass ein Rückfall festgestellt worden ist und alles (in etwas verschärfter Form) nochmal von vorne beginnt.

Erst wenn alles vorbei ist, wenn die Nachwehen der Therapie ausgestanden ist, wenn die letzte Tablette geschluckt ist, die Zeit zum nächsten Nachsorgetermin immer länger wird, aber der Arbeitsbeginn noch nicht ansteht, hat man plötzlich viel Zeit, darüber nachzudenken, was eigentlich passiert ist. Hier gibt es unterschiedliche Reaktionen:

  • Man ist stolz darauf, die schwere Zeit erfolgreich überstanden zu haben und genießt jeden Tag, der da kommt. Die Zeit ist wieder planbar, man kann verreisen oder sich mit Freunden verabreden ohne den Zusatz ‚wenn nichts dazwischenkommt‘.
  • Andererseits versteckt sich im Hinterkopf immer der Gedanke an die Zukunft. Was ist, wenn der Krebs wieder zurückkommen sollte? Würde ich die Kraft haben, eine weitere Therapie durchzustehen – und gibt es überhaupt noch eine weitere Therapie?

Ich neige eher zur ersten Variante. Die Alltagssorgen sind plötzlich klein geworden – ich muss mir bei Bedarf nur in Erinnerung rufen, dass ich vor nicht allzu langer Zeit ganz andere, wirkliche, Probleme hatte. Insgesamt habe ich eine positivere Einstellung zum Leben, und ich glaube, dass das auch nach außen sichtbar wird. Ich habe mich auf den ersten Arbeitstag gefreut und habe ihn trotz Erwerbsminderungsrente freiwillig vorgezogen. Wenn ich anfangs mit Neid auf andere geblickt habe, die locker Treppen hochgelaufen sind, oder auf 70jährige, die beschwingter als ich unterwegs waren, habe ich nicht überlegt, warum ausgerechnet mir sowas passieren muss, sondern es hat mich eher der Ehrgeiz gepackt, meine Kondition wieder aufzubauen und es ihnen irgendwann gleichzutun (auch wenn dieser Ehrgeiz manchmal durch Atemlosigkeit gebremst wurde).

Natürlich wird das Bewusstsein für Gesundheit und Krankheit geschärft. Wenn in der Programmvorschau das Wort Krebs erwähnt wird, oder gar Stammzellen, dann muss ich mir das anschauen, auf die Gefahr hin, dass ich danach wieder eine Nacht kaum schlafe, weil ich darüber grüble. Bei manchen vorgestellten Fällen bin ich regelrecht dankbar, dass ich es doch vergleichsweise „leicht“ gehabt habe (trotz refraktärem Tumor, Frührezidiv, 2facher Hochdosis-Chemo, 2facher Stammzellentransplantation und nachfolgenden Infektionen) und bewundere die Leidensgenossen, die bei schwächerer Ausgangslage gleich 3 Hochdosis-Zyklen hintereinander über sich ergehen lassen mussten und hinterher mit dauerhaften Spätfolgen die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben und freudig durchs Leben gehen (oder rollen …).

Umgekehrt hat bei mir das Unverständnis zugenommen gegenüber denen, die ihre Gesundheit bewusst und vermeidbar aufs Spiel setzen. Normalerweise stelle ich mir nicht die Frage ‚warum gerade ich?‘, aber wenn ich dann z.B. scheinbar gesunde Kettenraucher oder Fastfood-Fans sehe, kommt insgeheim doch die Frage hoch: ‚warum die nicht?‘.

Obwohl ich sonst gerne mit Zahlen hantiere, will ich mich gar nicht ernsthaft mit Statistiken zur Lebenserwartung von Ex-Krebskranken oder mit der erhöhten Gefahr von Zweittumoren nach Chemotherapie/Bestrahlung befassen. Was nutzt es auch, zu wissen, dass man mit 5% Wahrscheinlichkeit an xy-Krebs erkranken könnte, während der Erwartungswert im Normalfall vielleicht bei 1% liegt? Solange nicht bewiesen ist, dass ich leider doch zu den 5% gehöre, gehe ich davon aus, dass ich bei den 95 anderen bin. Allerdings kann ich es auch nicht lassen, z.B. einen Schnelltest zur Lebenserwartung auszufüllen, der mal bei Spiegel Online verlinkt war und mit ca 10 einfachen Fragen auskam. Als da danach gefragt wurde, ob in den letzten 2 Jahren eine schwere Krankheit vorgelegen hat und ob mal ein Krebsverdacht geäußert worden sei, ahnte ich schon, dass der Test für mich kein gutes Ergebnis bringen würde: laut Auswertung habe ich die Lebenserwartung eines 69jährigen. Nach dem aktuellen Gesundheitszustand wurde dabei gar nicht gefragt. Soviel zu Tests und Vorhersagen …

Hier noch der Link zu dem Film, der mich heute zum Frühaufstehen und zum Schreiben dieses Beitrags gebracht hat: Du musst kämpfen, Johnny. Er ist gestern bei 3sat gelaufen und ist in der Mediathek zu sehen.

PS: Beim Schreiben dieses Beitrags ist mir aufgefallen, dass ich in den vielen Beiträgen dieses Blogs kein einziges Mal das Wort ‚Krebs‘ verwendet habe – vielleicht doch auch eine Art der Verdrängung?

Mein Blog feiert Geburtstag

Morgen sind es genau 2 Jahre her, dass ich den ersten Beitrag hier geschrieben habe. Bei dieser Gelegenheit blicke ich mit ein paar Statistiken zurück:

Dies ist mein 170. Beitrag, damit habe ich gerade mal 2% des mir hier zustehenden Speicherplatzes aufgebraucht. Es bleibt also noch genügend Platz für künftige Beiträge.

Zu diesen Beiträgen habt Ihr 351 Kommentare geschrieben.

Es gab bisher 30667 Zugriffe, 22% davon entfallen auf Samstage. Die meisten Zugriffe gab es am 12. August 2013 (313).

Überraschend ist die breite geographische Streuung dieser Zugriffe. Insgesamt sind 45 Länder vertreten (wobei ich nicht weiß, woher die Zugriffe der ‚Europäischen Union‘ kommen).

Deutschland 17831
Luxemburg 9629
Schweiz 1348
Österreich 412
Europäische Union 323
Vereinigte Staaten 223
Ungarn 145
Schweden 143
Frankreich 114
Vereinigtes Königreich 106
Liechtenstein 87
Dänemark 50
Serbien 47
Belgien 35
Niederlande 31
Italien 25
Norwegen 19
Irland 14
Kanada 12
Spanien 12
Kroatien 7
Russische Föderation 7
Brasilien 5
Bulgarien 4
China 4
Malta 4
Thailand 3
Tschechische Republik 3
Zypern 3
Argentinien 2
Bosnien und Herzegowina 2
Namibia 2
Polen 2
Tunesien 2
Costa Rica 1
Indien 1
Island 1
Japan 1
Katar 1
Kolumbien 1
Panama 1
Slowakei 1
Taiwan 1
Vereinigte Arabische Emirate 1
Vietnam 1
Gesamt: 30667

Post trotz Poststreik

Wie ich schon mal berichtet habe, läuft der Briefwechsel mit meiner Spenderin derzeit noch etwas umständlich (hier nochmal die Gründe dafür).

Um nicht noch weitere Verzögerungen durch den Poststreik zu riskieren, war die zuständige Dame im Krankenhaus so nett, mir per Mail mitzuteilen, dass ein neuer Brief von meiner Spenderin angekommen ist. Ich konnte ihn dann persönlich abholen.

Wie ich dem Brief entnehmen kann, sind wir beide gleichermaßen gespannt auf ein näheres Kennenlernen, das nach der zweijährigen Sperrfrist möglich sein wird. Das Formular zur Weitergabe meiner Daten an die Spenderin habe ich schon erhalten.

Quer durch Deutschland

querDSeit dem 26. Januar bin ich einmal quer durch Deutschland von der Zugspitze zum Timmendorfer Strand gewandert. Natürlich nur virtuell: seit dem 26. Januar habe ich ständig einen Schrittzähler dabei, den ich von meiner Krankenkasse erhalten habe. Jeden Tag trage ich meine Schrittzahl auf einer persönlichen Webseite ein, und sehe dann meinen Fortschritt auf einem ausgewählten Wanderweg. Das Ziel von mindestens 10.000 Schritten am Tag habe ich damit locker erreicht.

In den letzten Tagen kam eine weitere Motivierung zum Spazierengehen hinzu. Ich war verstärkt auf Motivsuche, um meine neue Kamera auszuprobieren. Das Ergebnis könnt Ihr auf flickr sehen.